Die wahre Effi Briest hieß Elisabeth
"eine Geschichte nach dem Leben"
So heißt es 1895 in einem Brief von Theodor Fontane an
Marie Uhse. Das Ehe-Epos und Schicksal der gleichnamigen Titelheldin
„Effi Briest“ beruht auf der wahren Geschichte der
Elisabeth von Ardenne, geb. Edle und Freiin von Plotho.
An den Ufern der Elbe wird sie 1853 im Schloss Zerben, zu jener
Zeit im Besitz der Familie von Plotho, geboren. Dort wächst
Elisabeth, jüngste Tochter des Edlen Freiherrn Carl Albrecht
Felix von Plotho und Franziska Maria geborene Welling, mit ihren
drei Schwestern und dem ältesten Bruder Wolfgang, dem einzigen
männlichen Nachkommen, auf.
Elisabeth,
im Kreise der Familie kurz „Else“ gerufen, zeigt sich
in ihrer Kindheit als ein äußerst aufgeschlossenes,
lebhaftes junges Mädchen. Mit ihren vornehmlich männlichen
Spielkameraden verbringt Elisabeth so viel Zeit wie möglich
in der Natur. Nicht selten wird ihr unerschrockenes und temperamentvolles
Auftreten zum Gegenstand von Gesprächen der Dorfbewohner
Zerbens, welche die junge Elisabeth schlicht und liebevoll „unser
Elseken“ nennen. Elisabeth und ihre Geschwister lieben in
Kindertagen besonders die Ausflüge zum Forsthaus in Penningsdorf
und die Picknicks mit ihrer Mutter.
Die Erziehung Elses liegt jedoch in weiten Teilen in den Händen
des Pfarrers, einer Gouvernante und einer Privatlehrerin, die
von Else als langweilig und unfähig beschrieben wird.
1864
verliert die junge Elisabeth ihren Vater durch einen tödlichen
Jagdunfall. Die Mutter ist es nun, die die Güter Zerben,
Penningsdorf und Güsen alleine führen muss. Diese Verantwortung
tragend und der Reputation des Herrengeschlechts verpflichtet,
bemüht sich die Mutter ihre Töchter statthaft unter
die Haube zu bringen.
So kommt es, dass die vierzehnjährige Else mit dem Fähnrich
Léon Armand von Ardenne, einem Zieten-Husar der Garnisom
von Rathenow, bekannt gemacht wird. Wider Willen wird die noch
kindliche Else von ihrer Mutter angehalten, dem Klavierspiel Ardennes
zuzuhören. Die Mutter Elses ist sichtlich bestrebt, eine
Heirat beider in die Wege zu leiten.
Dabei ist es zu jener Zeit freilich nicht die Liebe, die eine
Ehe begründet. Vielmehr gilt es vordergründig sowohl
monetären als auch gesellschaftlichen Einfluss durch eine
standesgemäße Heirat zu sichern. Elisabeth jedoch lehnt
eine Heirat mit Léon Armand von Ardenne zunächst beharrlich
ab.
Erst
später fügt sich Else dem Bestreben ihrer Mutter und
nimmt die Ablehnung einer Heirat in einem Brief an Armand zurück.
Dieser schickt ihr daraufhin Feldpost von der Front und bittet
seinen Vater im Folgenden um Erlaubnis, Else zu ehelichen.
1871 findet die Verlobung Léon Armand von Ardennes und
Elses in Stechow bei Rathenow und 1873 sodann die Hochzeit in
Zerben statt. Am selben Tag noch verlässt Else ihr Elternhaus,
das Schloss Zerben, und zieht mit ihrem Bräutigam nach Berlin.
Zwischen 1873 und 1877 bringt diese Verbindung die Kinder Margot
und Egmont hervor.
Zu Gast bei Carl Robert Lessing, dem Besitzer der Vossischen
Zeitung, und seiner Frau Emma macht Theodor Fontane die Bekanntschaft
mit Elisabeth und Armand.
Die Familie von Ardenne verlässt Berlin jedoch schon bald,
um im Schloss Benrath bei Düsseldorf am Rhein, dem einstigen
Wohnsitz des Kurfürsten Karl Theodor, zu wohnen. Hier nimmt
das Schicksal der unglücklich verheirateten Elisabeth seine
Wendung. Sie lernt den Amtsrichter Emil Hartwich kennen und lieben.
Beide wechseln fortan Liebesbriefe.
Elisabeths Ehemann aber schöpft Verdacht und findet die
Schreiben Hartwichs. In der Folge dessen fordert Léon Armand
von Ardenne seinen Nebenbuhler 1887 zum Duell heraus, welches
für Hartwich tödlich endet. Die Ehe zwischen Elisabeth
und Armand wird geschieden und die Kinder dem Mann zugesprochen.
Der „Fall Ardenne“ erhebt sich zu einem gesellschaftlichen
Skandal; wird in Zeitungen thematisiert und in Tischgesellschaften
diskutiert. Auch Fontane erfährt zu Gast bei dem bekannten
Ehepaar Lessing von dem Ehebruch Elisabeths und den jüngsten
Ereignissen in der Familie von Ardenne, die er Anfang der 90er
Jahre des 19. Jahrhunderts so schließlich in seinem Gesellschaftsroman
„Effi Briest“ zu einem Meisterwerk verarbeitet.
Während „Effi“ in Fontanes Roman jedoch frühzeitig
am Verlust ihrer Kinder zerbricht und verstirbt, wird Elisabeth
im wahren Leben 98 Jahre alt. Nach sechzehn langen Jahren, in
denen ihr die Kinder entzogen wurden, kann sie schließlich
auch die Verbindung zu diesen wieder aufnehmen.
Elisabeth
war zeitlebens eine starke, bemerkenswerte Frau mit ausgeprägter
Schaffens- und Willenskraft. Sie arbeitete als Krankenschwester,
reiste viel und bestieg mit 50 Jahren den 2970 hohen Berg „Scesaplana“
bei Liechtenstein. Auch im Alter zeigte sich ihre Rastlosigkeit
und ihr überaus großer Willen aktiv am Leben teilzunehmen
und es frei zu gestalten. So lernte sie noch mit 60 Jahren das
Skilaufen und mit 80 Jahren das Radfahren.
In Gedenken an die beeindruckende Persönlichkeit Elisabeths
und mit viel Liebe zum Detail stehen Gemeinde, Kreis und Land
Sachsen-Anhalt für die Erhaltung dieses kulturgeschichtlichen
Erbes ein. Von einer einzigartigen Wälder- und Seenlandschaft
umrahmt, lädt das Schloss Zerben heute sowohl Literaturfreunde
als auch Naturliebhaber zum Staunen, Entdecken und Verweilen ein.